Wasser – Staat oder privat?

Rund 120 Liter Trinkwasser verbraucht der Deutsche täglich. Hinzu kommt der indirekte Verbrauch durch den Konsum von Produkten, die bei der Herstellung Unmengen von Wasser verbrauchen. Im Gegensatz dazu haben knapp eine Milliarde Menschen auf der Welt nicht einmal genug zu trinken.

Die Vereinten Nationen erklärten vor einigen Jahren Wasser zum Menschenrecht: Sauberes Wasser und Sanitärversorgung gelten damit als „unverzichtbar für den vollen Genuss des Rechts auf Leben". Damit sind alle Regierungen aufgefordert, entsprechende Maßnahmen und Gesetze zu erlassen, damit die Resolution eingehalten wird. Die Frage ist, ob die Wasserversorgung damit automatisch eine staatliche Aufgabe ist oder ob der Staat lediglich entsprechende Rahmenbedingungen für die private Wasserwirtschaft schaffen muss. Die Diskussion führt automatisch zu der Frage: Kann die Wasserversorgung unter solchen Rahmenbedingungen privatwirtschaftlich überhaupt profitabel durchgeführt werden?

Knappe Ressource oder Spekulationsobjekt

Wasser gibt es auf dem Planeten reichlich. Die Fragen sind, in welcher Form es vorhanden ist, ob es genießbar ist, wie es verteilt ist und wer Zugang hat. Die Menge des genießbaren und unbedenklichen Wassers ist durch technologischen Fortschritt gewachsen, die Zahl der Menschen, die keinen Zugang haben allerdings auch. Das Millenniumsziel der Vereinten Nationen, bis 2015 die Zahl der Menschen ohne Zugang zu Trinkwasser zu halbieren, ist nach offiziellen Verlautbarungen der UN nicht erreichbar.

Der Markt soll es regeln

In der EU ist vor diesem Hintergrund eine Privatisierungsdiskussion entstanden. Die Diskussion ist heikel, berührt sie doch politische Grundprinzipien: Kann die Wasserversorgung als kommerzielles Geschäft von privatrechtlichen, gewinnorientierten Unternehmen angeboten werden? Gegner einer Privatisierung bezweifeln, dass Konzerne den völkerrechtlich verankerten Rechtsanspruch auf Wasser gewährleisten können. Der Trinkwasser-Experte und Sachverständige Jürgen Elsaß hält die Diskussion über eine Privatisierung für unüberlegt: „Unternehmen müssen Gewinne erwirtschaften, um Menschen zu beschäftigen. Privatwirtschaftliche Gewinnmaximierung wird über kurz oder lang ärmere Schichten der Bevölkerung vom Zugang zu Wasser ausschließen. Das Thema Trinkwasser darf nicht von Investition und Rendite abhängig sein, der Markt darf es nicht regeln."

Ein Blick nach Südamerika bestätigt die Bedenken des Trinkwasser-Experten. Vier Konzerne teilen sich den Wassermarkt weltweit untereinander auf. In Bolivien und Brasilien führt das zu einer paradoxen Situation. Konzerne erwerben die Wasserrechte für ein Reservoir, zapfen die Quellen an und verkaufen es auf dem Weltmarkt als edles Quellwasser. In der Bar im Adlon in Berlin können 0,25 Liter solcher Edelwasser leicht 60 Euro kosten. Eine attraktive Marge. Die Bevölkerung in den Ländern sitzt dagegen auf dem Trockenen. Das teure – eigene – Wasser in den Geschäften kann sie sich nicht leisten. Jürgen Elsaß ist deshalb der Meinung, dass das Trinkwasser in Staatshänden bleiben soll und zu einem einheitlichen Preis allen Menschen zur Verfügung stehen sollte.

Ohne Kontrolle keine Qualität

Die Frage Staat oder privat stellt sich auch bei der Kontrolle des Leitungswassers. Die Unbedenklichkeit und Eignung als Trinkwasser ist nur gewährleistet, wenn regelmäßige Wasseruntersuchungen stattfinden. Die privaten Wasserversorger müssen den gleichen Bedingungen unterliegen wie die staatlichen. Sie haben bei dem Gesundheitsamt Rechenschaft über die Reinheit -chemisch und biologisch- abzulegen. Private Wasserversorger sind für Kleinstgemeinden und solche, die aufgrund der Kosten nicht am Hauptversorgernetz angeschlossen sind, müssen wie die Eigentümer das Trinkwasser begutachten lassen und die entsprechenden Maßnahmen durchführen. Ob dann schadhafte Leitungen auch fachgerecht gewartet und erneuert werden, ist damit noch nicht sichergestellt. Jürgen Elsaß ist skeptisch: Der Experte erklärt den Privatisierungsbestrebungen der EU damit eine klare Absage.

Spekulationsobjekt Wasser

Die Finanzmärkte erweisen sich wieder als Seismograf: Durch die Finanzkrise verunsicherte Anleger suchen nach Alternativen und fragen zunehmend sichere Anlagen mit einem realen Wertschöpfungsbezug nach. Eine starke Nachfrage nach Rohstofffonds ist die Folge. Wasserfonds stehen ganz vorn. Da die Wertentwicklung der Wasserfonds vom Shareholder Value der privatwirtschaftlichen Wasserkonzerne abhängt, dominiert kurzfristiges Profitdenken. „Klare rechtliche Regeln und Verantwortlichkeiten wird es so schnell nicht geben, denn dazu ist die Wasserlobby zu mächtig" prognostiziert Jürgen Elsaß und verweist auf Deutschland: „Hierzulande ist nur die Qualität des Trinkwassers bis zur Wasseruhr eindeutig geregelt. Was an den Entnahmestellen herauskommt, ist eine andere Sache. Eine bundesweit einheitliche Regelung der Kontrolle für Qualität und Reinheit des Trinkwassers ab der Wasseruhr – Länder und Eigentümer – gibt es nicht. Im Klartext: Es müssen die Länder mit neutralen zertifizierten Sachverständigen ein Kontrollsystem aufbauen, bei welchem alle Gebäude mit ihren Trinkwasser-Kontrollen gespeichert sind. Es müssen endlich Verantwortliche in den Gemeinden, Länder und Bund sitzen, die das etwa entsprechende Wissen von ihrem Gebiet haben und bereit sind mit den Sachverständigen zusammenzuarbeiten.

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